Heinrich Schmidt aus Frankenberg, Jahrgang 1919, wohnt heute in Burgwald und erinnert sich:

Ich habe von Juni 1939 bis Oktober 1940 in der Luftmunitionsanstalt 2/XII (auf der Muna) gearbeitet. Bis 1938 war ich auf dem Landratsamt in Frankenberg in der staatlichen Abteilung beschäftigt. Von 1938 bis 1939 hatte ich die USA und Kanada ausgiebig bereist und Besuche bei ausgewanderten Familienmitgliedern und anderen ehemaligen Frankenbergern gemacht. Nach meiner Rückkehr wurde ich durch die Vermittlung des Arbeitsamtes in der Luftmunitionsanstalt 2/XII Frankenberg beschäftigt. Die Muna war 1939 schon ein Großbetrieb, der neben seinem eigentlichen Zweck Hunderten von Menschen in vielfältiger Weise Beschäftigung bot, von der Bauplanung- und ausführung – denn gebaut wurde immer – bis zur medizinischen Versorgung. Ich war ziviler Reichsangestellter und saß auf der Planstelle eines Oberfeuerwerkers. Zuständig war ich für die Überwachung des Munitionsbestandes, denn bei mir trafen die Bestandsmeldungen ein. Die gingen von den Vorarbeitern in den einzelnen Gebäuden an den Gruppenleiter und von diesen weiter an mich. Wir mussten exakt arbeiten. Keine Patrone durfte fehlen. Es herrschte die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit.

Wir waren etwa fünf Kollegen, die etwas mit Munitionsverwaltung zu tun hatten. Zu meiner Zeit wurden noch keine chemischen Kampfstoffe eingelagert, nur Luftmunition bis fünf Zentner (250 Kg). Diese Munition wurde über den Gleisanschluss im Süden der Anlage meist zum Flughafen Wiesbaden-Erbenheim verfrachtet und von dort weiterverteilt. Neben der Verwaltungstätigkeit hatte ich jeden dritten Tag Nachtdienst am Fernschreiber. Die Fernschreibstelle befand sich, wie mein Arbeitsplatz ebenfalls, parterre in der Kommandantur (Haus 1), wo auch die Leiter, Oberstleutnant Walter und Hauptmann Gildemeister, als Waffenoffizier, ihre Diensträume hatten. Je nach dem Anteil der Nachtzulage betrug mein Monatsgehalt 150 bis 200 RM (Reichs Mark), das war mehr Gehalt als auf dem Landratsamt, wo ich nur 95 RM (Reichs Mark) Gehalt monatlich bekam.

Die Muna wurde außen bewacht von einer Truppe in schwarzen Uniformen, meiner Erinnerung nach aber nicht von der SS. Die Vorhängeschlösser an den Toren innerhalb des Geländes hatte ich zweimal wöchentlich zu kontrollieren.

Gut erinnern kann ich mich noch an den Tag der Mobilmachung. Ich war bei einem Tanzabend im Hessischen Hof in Frankenberg. Wir wurden per Telefon zurückgerufen. Noch in der gleichen Nacht und an den folgenden Tagen wurden alle Beschäftigten mit Gasmasken ausgerüstet, die ich auszugeben und anzupassen hatte. Auf diese Defensivmaßnahmen zu Kriegsbeginn war man in der Muna gut vorbereitet. Im Lauf des Jahres 1949 wurde es für junge Männer die Regel, zur kämpfenden Truppe eingezogen zu werden. Ich meldete mich vorher freiwillig und kam an die Westfront. Als Führer der Fernschreibvermittlung beim Oberkommando der 15. Armee habe ich die Landung der Alliierten in der Normandie erlebt und geriet darauf in amerikanische Gefangenschaft. Nach dem Krieg lebte ich zunächst in Frankenberg. Seit 1978 wohne ich nun in der heutigen Gemeinde Burgwald, auf dem Gelände, wo ich als junger Mann beschäftigt war.

Heinrich Schmidt, aufgeschrieben 1998