Muna – Luftmunitionsanstalt 2/XII Frankenberg

Zeitzeugenbericht von Anna Wünsch, geborene Göbeler, 18.06.1924

Anna Göbeler arbeitete vom 03.11.1942 bis 31.03.1943 unter anderem zusammen mit Elisabeth Seibel, verheiratete Ernst aus Bottendorf in der Luftmunitionsanstalt auf der Muna.
Angelernt wurde sie von Frau Erna Knirr aus Battenfeld. Es arbeiteten hier mehrere hunderte Menschen aus dem ganzen Landkreis Frankenberg.
Die Arbeitszeit war damals täglich von 07:00 bis 17:00 Uhr, von Montags bis Freitags. Man war ordnungsgemäß und auch versicherungstechnisch angemeldet. Der Verdienst vom 03.11. bis 31.12.1942 betrug 61,73 RM, vom 01.01. bis 31.03.1943 262,96 RM. Die Rentenbescheinigungen liegen heute noch vor.
Herr Salzmann aus Rosenthal in Fliegeruniform, er war der Vater von Hans Salzmann und Schwiegervater von Hilde Salzmann, war Busfahrer und holte die Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem ganzen Kreis mit dem Bus ab und fuhr alle täglich auf die Muna.
Die erste Kontrolle war am Ortseingang im Wachhaus. Der Eintritt in die Arbeitshäuser erfolgte über die Schreibstube. Dort wurde jeder registriert und erhielt eine Gasmaske. Die Gasmasken lagerten im Spind, es erfolgte aber eine regelmäßige Dichtkontrolle im Gashaus (unterhalb des heutigen Sportplatzes, hinter den Garagenhäusern).
Die Arbeitskleidung bestand aus einem grauen Kittel. Jeder musste diesen anziehen.

Die Arbeitshäuser hatten den Namen Abwurf und Infanterie. Anna Göbeler arbeitete im Arbeitshaus Abwurf. Hier musste sie an der Stanzmaschine Backpfeifen (Heuler) für Bomben stanzen. Ihr zur Seite standen der spätere Schwiegervater Wilhelm Wünsch, Johannes Möller und Konrad Seibel. Diese Gruppe montierten die Backpfeifen an die Schwänze der Bomben. Die Bomben lagerten in den umliegenden Bunkern. Es erfolgten laufende Kontrollen durch Feuerwerker wegen eventueller Sabotage. Im Arbeitshaus Infanterie wurden die Geschosse, die in den Bunkern lagerten, mit Bürsten gereinigt.
Weil Vater Adam Göbeler mit 43 Jahren im April 1943 noch in den Arbeitsdienst an die holländische Grenze eingezogen wurde, durfte Anna Göbeler wieder nach Hause und half ihrer Mutter Auguste Göbeler in der Landwirtschaft. Im Haus wohnten noch die Oma und die Geschwister Anneliese, Katharine und Wilhelm.
Von 1945 bis 19 46 arbeitete Anna Göbeler im Haushalt bei preußischen Forstmeister Rohrmann, Forstamt Wolkersdorf.
Als die Amerikaner Bottendorf mit Panzern vom Schafterbach aus kommend einnahmen, musste das Haus Göbeler in der Wolkersdorfer Straße geräumt werden. Hier wurde die Feldküche der Amerikaner eingerichtet. Oma und Wilhelm waren im Urbach untergebracht, die anderen in der Nachbarschaft bei Wellers.
Der Keller von Göbelers war auch Luftschutzkeller. Als die Amerikaner einmarschierten, versammelte sich im Luftschutzkeller die gesamte Nachbarschaft.

Anekdote:

Ein amerikanischer Soldat ging mit dem Gewehr auf Opa Röse (Resemorts) los und sprach ihn auf Englisch an:
Have you eggs?

Opa Röse lief in die Scheune und holte eine Axt.

Der Soldat war außer sich und richtete das Gewehr gegen Opa Röse. Die Frauen begriffen aber was der Soldat wollte. Sie holten Eier aus dem Hühnerstall. Da war der Soldat zufrieden und ließ alle in Ruhe.

Im Haus Göbeler schliefen die weißen und schwarzen amerikanischen Soldaten getrennt, nie zusammen.
Familie Göbeler durfte täglich abends 19:00 Uhr in der Waschküche kochen, dann musste das Haus wieder verlassen werden. Auch die Möbel waren auf andere Häuser aufgeteilt. Von den Amerikanern erhielt man Erdnussbutter, Weißbrot und auch Schuhe.

Es war ja noch Krieg. Täglich kamen Tiefflieger und suchten die Muna, um diese zu bombardieren. Auf dem Feld wurde nachts von 03:00 Uhr bis spätestens morgens 08:00 Uhr gearbeitet. Dann war wieder Fliegeralarm.
Eines Tages arbeiteten Anna und Ihre Mutter in der Hute auf dem Feld als Fliegeralarm war. Die Kühe liefen mit dem Wagen allein nach Hause. Mutter und Tochter suchten Schutz bei Theißes. Zu Hause machte man sich Sorgen, warum die Kühe allein kamen.
Vater Adam Göbeler war inzwischen an der polnischen Grenze bei Görlitz. Von hier aus machte er sich zu Fuß auf den Weg nach Hause, ohne Papiere. Eines Tages bekam man die Nachricht, dass er in Willersdorf bei Lotzes sei.

Opa Westerweller holte ihn mit dem Fuhrwerk in Willersdorf ab. Zu Hause redete man ihn in den ersten Tagen mit „Onkel“ an. Aber ein amerikanischer Soldat wusste Bescheid. Dieser besorgte Adam Göbeler neue Papiere.
Es gab zu dieser Zeit noch bottendorfer Bürger, die ihre Mitbürger verrieten und diese dann noch in Gefangenschaft kamen.
Nach Kriegsende zogen die Amerikaner ab und ein mühevolles normales Leben mit vielen Hindernissen begann.

Bericht von Anna Wünsch, geborene Göbeler, Bottendorf, 11. Mai 2005