Bomber trugen den Tod nach Rennertehausen

Als Manfred Clemens 15 Jahre alt war, schrieb er eine Schularbeit über den alliierten Bomberangriff auf Rennertehausen am 6.Oktober 1944. Der Battenberger Realschüler besuchte für seine Abschlussarbeit Zeitzeugen und führte Interviews mit ihnen. Das war 1966. Für seine Arbeit erhielt Manfred Clemens die Note 2+. Die Befragten leben heute nicht mehr. Manfred Clemens stammt aus Rennertehausen, wohnt jetzt aber in Bad Salzdetfurth bei
Hildesheim. In unserer Serie über das 90-jährige Bestehen der Oberen-Edertal-Bahn zwischen Allendorf und Hatzfeld wollen wir an die Zeitzeugen von damals erinnern und sie an dieser Stelle im Original-Ton zu Wort kommen lassen. Das Leben an einer Bahn-Strecke brachte für Rennertehausen nicht nur den Anschluss an die großen Industrieregionen Deutschlands und
mehr Wohlstand, sondern durch einen Angriff gegnerischer Bomber im Zweiten Weltkrieg Tote, Trauer und Leid. 

(Walter Sellmann in 700 Jahre Rennertehausen, 1974)

Bomber trugen den Tod nach Rennertehausen

Als Manfred Clemens 15 Jahre alt war, schrieb er eine Schularbeit über den alliierten Bomberangriff auf Rennertehausen am 6.Oktober 1944. Der Battenberger Realschüler besuchte für seine Abschlussarbeit Zeitzeugen und führte Interviews mit ihnen. Das war 1966. Für seine Arbeit erhielt Manfred Clemens die Note 2+. Die Befragten leben heute nicht mehr. Manfred Clemens stammt aus Rennertehausen, wohnt jetzt aber in Bad Salzdetfurth bei Hildesheim. In unserer Serie über das 90-jährige Bestehen der Oberen-Edertal-Bahn zwischen Allendorf und Hatzfeld wollen wir an die Zeitzeugen von damals erinnern und sie an dieser Stelle im Original-Ton zu Wort kommen lassen. Das Leben an einer Bahn-Strecke brachte für Rennertehausen nicht nur den Anschluss an die großen Industrieregionen Deutschlands und mehr Wohlstand, sondern durch einen Angriff gegnerischer Bomber im Zweiten Weltkrieg Tote, Trauer und Leid.

Wir beginnen mit der Schilderung von Konrad Hofmann: Feindliche Flieger wollten einen Personenzug angreifen. Als der Zug an der hiesigen Haltestelle hielt, griffen sie ihn im Tiefflug an. Von Norden her griffen die Flieger an und schossen mit Bordwaffen in Richtung Dorf. In der Nähe des Haltepunktes hatten dieselben zwei Bomben abgeworfen, die drei Wohnhäuser und drei Scheunen vernichteten. Menschen starben. Einige davon sind auf dem hiesigen Friedhof beerdigt worden. Ein solches Chaos in diesem Ausmaß hatte das Dorf noch nicht erlebt. Es waren kaum ausgebildete Feuerwehrleute da. Auch mangelte es an ausreichendem Wasser. Deshalb wurden die in der Nähe des Unfallortes liegenden Jauchelöcher leergepumpt. Später kamen noch die Feuerwehren der Muna und der Stadt Frankenberg zu Hilfe. Diese beiden Wehren wurden von der Eder gespeist. Während das Feuer bekämpft wurde, fingen andere an, die Toten zu bergen. Von der Familie Dauber waren es allein drei Tote. Die alte Frau war in dem zusammengestürzten Haus umgekommen. In der Kirche wurden die Gefallenen untergebracht. Sie waren auf Wagenleitern, die über die Kirchenbänke gelegt worden waren, aufgebahrt.

Katharine Hofmann sah die Flugzeuge aus Richtung Haine kommen: Wir befanden uns auf dem Feld und machten Rüben aus. Wir waren nördlich der Angriffsstelle. Während der Arbeit hörten wir auf einmal Flieger. Wir bekamen Angst und versteckten uns zwischen den Rübenreihen. Die Flugzeuge kreisten mehrmals. Sie kamen über dem Wald aus Richtung Industriehof hervor, flogen über Haine, Rennertehausen und Berghofen und verschwanden dann wieder. Diesen Kreis flogen sie mehrmals. Von Haine her verfolgten sie dann auch den Zug, der 500 bis 600 Meter vor der Haltestelle halten musste. Aber aus unbekannten Gründen schossen die Angreifer nicht. So konnte der Zug bis zur Haltestelle weiterfahren. Als dieser hielt, kamen die Flieger wieder aus Richtung Haine. Da ahnten wir etwas Schlimmes und bekamen Angst. Dazu kam auch noch, dass unser Sohn zusammen mit einem Kriegsgefangenen mit einem Wagen Rüben in unmittelbarer Gefahrenzone war. Wir sahen nur noch, wie dieser mit dem Gehilfen 100 Meter oberhalb der Haltestelle am Bahndamm lag. Dann fielen die Bomben. Das Haus von Dauber fiel in einer schwarzen Rauchwolke in sich zusammen. Das Gehöft von Konrad Holzapfel und das Haus von Wilhelm Holzapfel sowie die Scheune von Heinrich Wickenhöfer brannten. Währenddessen beschossen die Flieger den Zug noch mit Bordwaffen. Kurz danach warfen dieselben noch einige Bomben auf den Bahnhof Allendorf. Aber diese verfehlten ihr Ziel. Im Dorf war großes Geschrei. Wir sind schnell nach Hause geeilt. Die Flieger kreisten dann noch mehrmals über dem Dorf.

Auch Otto Hofmann hatte auf dem Feld zu tun: Ich kam mit einem Wagen Rüben vom Feld. Auf halbem Wege brach ein Brett, und es musste repariert werden. Bei der Weiterfahrt sollte ein russischer Gefangener die Bremse andrehen. Dies hätte ich eigentlich machen müssen, aber er hatte eine Hand gebrochen und so musste ich den Wagen lenken. Als dann die Flieger kamen, wollte ich versuchen, die Kühe festzuhalten. Der Gefangene bekam Angst und lief zurück zu meiner Familie, die einige 100 Meter weiter auf einem Acker Rüben erntete. Die Kühe wurden wild und rannten weg. Aber in einem tiefen Graben blieb der Wagen hängen. Jetzt stand ich ganz allein da. In demselben Augenblick kam ein Soldat von unserem Feld und rief mir zu, ich solle mich in den Graben werfen und den Mund aufmachen, sonst könne die Lunge platzen. Dies tat ich auch. Da sah ich, wie die erste Bombe fiel. Ich sah nur, wie ein Körper, der vorne eine Spitze und hinten vier Zacken hatte, auf das Haus von der Familie Dauber fiel. Dies brach in sich zusammen; alle vier Wände stürzten nach innen. Als bei dem zweiten Bombenabwurf die Betonplatte der Fahrkartenausgabe, welches an dem Haus Dauber stand, getroffen wurde, flog ich etwa 30 Zentimeter in die Luft. Die Flieger warfen die Bomben ab und flogen dann über dem Dorf wieder hoch. Die dritte Bombe fiel in die Nähe der Kirchhofsgrenze. Als das Haus von Dauber zusammengestürzt war, fing die Scheune an zu brennen. Dann schossen die Flieger noch mit Bordwaffen. Es kam mir vor, als wenn übergroße Eier auf das Gehöft von Konrad Holzapfel fielen. Dieses fing an mehreren Stellen aus dem Dachfirst heraus an zu brennen. Ebenso die beiden Scheunen von Karl Hill und Heinrich Wickenhöfer. Währenddessen flogen mir die Patronenhülsen um den Kopf. Nachdem wir uns vom ersten Schreck erholt hatten, scherten wir die Kühe aus und führten sie 200 Meter oberhalb der Unglücksstelle über den Bahndamm. Als wir in der Mitte des Dorfes waren, kamen die Flieger noch einmal. In den Straßen war ein großes Durcheinander. Zu Hause fragte uns meine Tante, wo es eigentlich brenne; sie meinte, das Nachbarhaus wäre getroffen, so laut seien die Aufschläge der Bomben gewesen. Außerdem hatte eine andere Tante von mir gesehen, wie die Schaffnerin Elisabeth Henkel aus dem Zug gesprungen ist und dann getroffen wurde.

Mit eintretender Dunkelheit verließen die meisten Bewohner das Dorf. Man befürchtete, das Licht der noch brennenden Gebäude könnte Ziel eines erneuten Angriffs sein. Südlich der Eder waren zahlreiche Familien bis spät in die Nacht mit der notwendigsten Habe versammelt. Damals war ich zwölf Jahre alt. Ich war so schockiert, dass ich Tage danach bei irgendwelchem Brummen alles stehen und liegen ließ und in den Keller rannte. Ich erinnere mich, das vor dem Angriff ein einzelner Flieger über dem Dorf kreiste. Die Todesopfer: Frieda Maria Andreß, geborene Müller, aus Bromskirchen, geboren 8. 6. 1915; Fritz Brandl, aus Wien, geboren 19. 4. 1944; Helene Dauber, geborene Jakobi, aus Rennertehausen, geboren 18. 2. 1871; Louise Dauber, aus Rennertehausen, geboren 24. 2. 1923; Elisabeth Dauber, aus Rennertehausen, geboren 7. 9. 1942; Johannette Feisel, aus Reddighausen, geboren 2. 12. 1909; Katharine Hampel, aus Eifa, geboren 7. 2. 1916; Elisabeth Henkel, aus Rennertehausen, geboren 16. 7. 1920;Emilie Venhof, geborene Boos, aus Herne (Westfalen), geboren 24. 1. 1888. Anmerkung: Teils aus militärischen, teils aus persönlichen Sicherheitsgründen wurden im Zweiten Weltkrieg große Teile der städtischen Bevölkerung aus allen Gegenden Deutschlands in ländliche, vermeintlich ungefährdete Landesteile evakuiert.

Zu einer vor Bombenangriffen sicher geltenden Gegend zählte damals auch der Kreis Frankenberg. Das sonst so ruhige Rennertehausen bekam durch den Zuzug von vorerst rund 270 Personen ein lebhafteres Straßenbild. (Walter Sellmann in 700 Jahre Rennertehausen 1974)